Unternehmen setzen Zeichen für Barrierefreiheit
14. Juni 2018
Die Spitzen der österreichischen Wirtschaft riefen am 5. Juni 2018 zu umfassender Barrierefreiheit und Inklusion von Menschen mit Behinderung im Wirtschaftsleben auf. Sieben österreichische Top-CEOs und rund 300 Gäste setzten am dritten DisAbility Confidence Day ein starkes Zeichen für eine Wirtschaft ohne Barrieren.

Unter der Moderation von Ingrid Thurnher (ORF) diskutierten einige der einflussreichsten Vorstandsmitglieder Österreichs über Barrierefreiheit als Erfolgsfaktor: Valerie Hackl (Vorstandsmitglied ÖBB Personenverkehrs AG), Bettina Glatz-Kremsner (Vorstandsdirektorin Casinos Austria und Österreichische Lotterien), Dorothee Ritz (General Manager Microsoft Österreich), Martin Graf (Vorstandsdirektor Energie Steiermark), Marcel Haraszti (Bereichsvorstand REWE International AG), Georg Pölzl (CEO Österreichische Post AG) und Robert Zadrazil (Vorstandsvorsitzender UniCredit Bank Austria). Die politische Seite vertrat Gerhard Popp, Sektionschef Digitalisierung des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort.
„Gamechanger“ Digitalisierung
Der diesjährige Schwerpunkt des DisAbility Confidence Day lag auf dem Einfluss des technologischen Fortschritts und der zunehmenden Digitalisierung. Gregor Demblin, Gründer von myAbility und seit über 20 Jahren querschnittsgelähmt, eröffnete die Veranstaltung in einem bionischen Exoskelett:
Technologie wird das Leben von uns allen verändern und zwar in einem wesentlich stärkeren Ausmaß als uns das bewusst ist. Diese Technologie verändert auch mein Leben wesentlich, indem ich seit einem halben Jahr mithilfe dieses Exoskeletts trainieren und wieder gehen kann. Gemeinsam mit den Österreichischen Lotterien möchte ich diese Technologie im Rahmen der Initiative walkagain.at auch anderen zugänglich machen.

Auch Dorothee Ritz, war überzeugt:
Digitale Technologien, zeitgemäße Kommunikationsmittel und der Einsatz von AI (Artificial Intelligence) sind für unsere Gesellschaft regelrechte Gamechanger. Denn sie ermöglichen Menschen mit Behinderung die Chance, umfassenden Zugang zu Dienstleistungen, Bildung und Arbeitsplätzen zu erhalten und unabhängig und produktiv zu arbeiten.
Microsoft bietet viele barrierefreie Technologien an, die auch im Rahmen des Innovationscorners am DisAbility Confidence Day vorgeführt wurden: So zum Beispiel die Seeing AI-App, die Menschen mit Seheinschränkung die Welt vor der Kamera vorliest. Oder auch den Narrator, der in die Anwendungen von Office-Produkten eingebaut ist.
Auf die Frage ob die Digitalisierung eine Gefahr oder eine Chance für die österreichische Gesellschaft darstellt fasst Gerhard Popp vom Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaft zusammen:
Wenn man sie erleidet ist es eine Gefahr, wenn man sie gestaltet eine riesige Chance.
Inklusion ist „Schlüssel zum Wohlstand der Gesellschaft“
Gregor Demblin hat mit myAbility die Vision einen gesellschaftlichen Wandel anzustoßen:
Ich habe die riesige Chance, die Gesellschaft zu verändern, bei der Wirtschaft gesehen. Nämlich bei dem unglaublichen Potenzial, das diese riesige Zielgruppe hat. 15 % der österreichischen Bevölkerung haben eine Behinderung. Das sind 15 % der MitarbeiterInnen und 15 % der Kunden. Das muss eine riesige Relevanz für das Management von Unternehmen haben.
Viele anwesende Unternehmen haben dieses Potenzial bereits erkannt und wissen, dass es in Zukunft umso wichtiger sein wird, MitarbeiterInnen und KundInnen mit Behinderung aktiv anzusprechen:
Als führendes Unternehmen in Österreich ist es für uns keine Option, das Kundensegment und Reservoir an 1,7 Millionen talentierten, potenziellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu vernachlässigen. Wir sehen finanzielle Inklusion als Schlüssel zum Wohlstand der Gesellschaft.
Mehr als 300 MitarbeiterInnen mit Behinderung beschäftigt der Konzern, viele Filialen sind barrierefrei. Dazu kommt barrierefreien Serviceleistungen für KundInnen mit Behinderung u.a. Videotelefonie, Gebärdensprachvideos und eine Screenreader freundliche Website. Als einzige Bank in Zentraleuropa bietet die UniCredit Bank Austria mit ihrem Online-Tool „SmartBanking in Gebärdensprache“ Beratung für gehörlose KundInnen über Video an.
Marcel Haraszti, Vorstand der REWE International AG, betonte die Vorteile, die dem Unternehmen aus der Inklusion erwachsen:
Wir beschäftigen bei der REWE International AG und ihren Handelsfirmen derzeit knapp 600 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit Behinderung – und es sollen definitiv noch mehr werden. Denn die Integration von Menschen mit Behinderung in unserem Unternehmen zahlt sich in jedem Fall aus. Wir sind überzeugt, dass dadurch der Teamspirit gestärkt und Kompetenzen aufgebaut werden.
Neben der barrierefreien Zugänglichkeit zu den meisten Filialen von BILLA, MERKUR, PENNY, BIPA und ADEG sieht sich die REWE International AG vor allem als Vorreiter bei der Barrierefreiheit ihrer Onlineangebote. Der Handelskonzern möchte mit einer barrierefreien Karrierehomepage noch mehr BewerberInnen mit Behinderung ansprechen und mittels ihrer Onlineshops auch ihre Produkte barrierefrei im Web anbieten.
Martin Graf, Vorstandsdirektor der Energie Steiermark, sprach in der Keynote „Disability, Technology & Leadership“ über seine persönliche Motivation als Führungskraft mit Behinderung und Inklusion im Energiesektor:
Inklusion sehen wir bei der Energie Steiermark nicht nur als Beseitigung von Barrieren, sondern vielmehr als Bereicherung und Ergreifung von Chancen durch die Einbindung von neuen Sichtweisen in unsere Geschäftsmodelle.
Berührungspunkte schaffen Sensibilisierung
Im Vorfeld des #DCD18 wurde mit den CEOs der Österreichischen Lotterien, der UniCredit Bank Austria und der REWE International AG ein Video gedreht, das die Führungskräfte bei dem Sensibilisierungsworkshop von myAbility zeigt. Diese „Sensing Journey“ schafft Berührungspunkte zum Thema Behinderung:
Das Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung ist extrem wichtig. Uns war wichtig, nicht nur die Barrieren, die tatsächlich vorhanden sind, abzubauen, sondern vor allem auch die Barrieren im Kopf. Das geht vor allem dann sehr gut, wenn man viel informiert und die Sensibilität für dieses Thema auch entsprechend im Unternehmen aufs Tapet bringt. Veranstaltungen wie der DisAbility Confidence Day tragen dazu bei, dieses Thema auch sichtbar zu machen.

Valerie Hackl, Mitglied des Vorstandes der ÖBB-Personenverkehr AG ist überzeugt, dass alle Menschen von Barrierefreiheit profitieren:
Für 10 Prozent der Bevölkerung ist Barrierefreiheit Voraussetzung für ihre Mobilität – gleichzeitig profitieren aber 100 Prozent der Reisenden: Menschen mit Behinderungen genauso wie Eltern mit Kleinkindern, Schulkinder, ältere Menschen, Reisende mit Gepäck.“
Es ist das Ziel der ÖBB, das Reisen mit Bahn und Bus möglichst barrierefrei zu gestalten. Bei Neuanschaffungen und Investitionen sei die Einbindung des Themas Behinderung daher inzwischen eine Selbstverständlichkeit. Besonders wertvoll ist dabei das Know-how von KollegInnen, welche die Bedeutung von Barrieren selbst kennen. Dorothee Ritz, General Manager von Microsoft Österreich, fordert alle Unternehmen auf:
In Anbetracht des drohenden Fachkräftemangels sollten Unternehmen endlich ihre Scheuklappen fallen lassen, aus bestehenden Best-Practice-Beispielen lernen und Vorurteile nachhaltig abbauen.
Drei Premieren am DisAbility Confidence Day 2018
Preview der myAbility Lounge
Ab Herbst 2018 gibt es exklusiv für Mitglieder des DisAbility Wirtschaftsforums die myAbility Lounge. Gregor Demblin bittet in diesem neuen Format hochkarätige Persönlichkeiten aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft zum Gespräch. Beim DisAbility Confidence Day 2018 gab es mit Georg Pölzl, CEO der Österreichischen Post AG, bereits einen Vorgeschmack auf die neue Veranstaltungsreihe von myAbility.
Behinderung gehört zu unserem Alltag, daher muss man Barrierefreiheit auch bewusst in die Unternehmensprozesse eingliedern. Und das nicht nur in den eigenen Prozessen, sondern auch bei der Auswahl von Lieferanten und Partnern. Jede/r soll Zugang zu unseren Leistungen bekommen.
Präsentation eines barrierefreien Elektroautos
Energie Steiermark entwickelte ein barrierefreies E-Auto, das auch vor Ort zu sehen war. Das Auto soll es MitarbeiterInnen mit und ohne Behinderung ermöglicht, Wege schnell und umweltschonend zu erledigen.
Erste Zertifizierung für barrierefreie Website
Als Vorreiter eines barrierefreien Webauftrittes wurde die REWE International AG im Anschluss an das Hauptprogramm als erstes Unternehmen Österreichs mit dem Web Accessibility Cerificate Austria ausgezeichnet. Für zwei Websites des Handelskonzerns wurden Zertifikate nach den internationalen W3C-Richtlinien (WCAG 2.0 – AA) vergeben.

Begeistert von der großen Unterstützung durch die Spitzen der österreichischen Wirtschaft zeigte sich Gastgeber Gregor Demblin:
Über 15 % der Bevölkerung sind selbst betroffen und wurden bisher von der Wirtschaft als MitarbeiterInnen und KundInnen großteils ignoriert. Wir freuen uns sehr, dass immer mehr Unternehmen umdenken und die Chancen erkennen.
Rahmenprogramm
Innovation Corner: Modernste Accessibility Solutions
- „Online-Gebärdensprach-Service“, Bank Austria präsentiert u.a. ihr vorbildliches Kundenservice für Menschen mit Hörbehinderung
- Barrierefreies E-Car, Energie Steiermark präsentiert ihre grüne Innovation für nachhaltige Mobilität für Menschen mit Behinderung
- Inklusion durch Technologie, Microsoft Österreich stellt ihre innovativen Accessibility Lösungen vor, u.a. mit der Seeing AI-App und Eye-Control
- Exoskelett, Österreichische Lotterien unterstützt diese völlig neue Rehabilitationstechnologie im Rahmen der Initiative Walkagain.at.
- Web Accessibility Cerificate Austria, das erste Zertifikat für barrierefreie Webseiten in Österreich
- Taktile Bodeninstallation, Is0ti & seeLab zeigen ihre barrierefreien Leit-, Orientierungs- und Kommunikations-Systeme