Webinar - Wo ist das "I" in ESG? Inklusions-KPIs praktisch beleuchtet

Die Bedeutung von Diversität und Inklusion als Elemente der sozialen Nachhaltigkeit nimmt für Unternehmen stetig zu. Vor allem neue gesetzliche Vorgaben der EU fordern, dass Unternehmen nicht nur in Bezug auf ökologische, sondern auch hinsichtlich ihrer sozialen Verantwortung Rechenschaft ablegen. Somit wird die Messbarkeit von Diversität und Inklusion sowie die Sichtbarmachung von Fortschritten in diesen Bereichen zunehmend wichtiger.

Im letzten Webinar des myAbility Wirtschaftsforums mit fast 200 Teilnehmenden ging es vor allem darum, warum und wie Inklusion von Mitarbeitenden mit Behinderung gemessen wird.

Anna Herzog, Solutions Lead bei myAbility und Expertin für die Messung sozialer Verantwortung, gab dabei Einblicke über relevante Entwicklungen, die unternehmerische Aktivitäten beeinflussen und Auswirkungen auf die Bereiche Inklusion und Barrierefreiheit haben. Als externe Sprecherinnen wurden Sandra Edelmann, Senior Managerin Diversity & Inclusion bei REWE/BILLA, und Barbara Coudenhove-Kalergi, Expertin für Sustainability Management bei PwC Österreich, eingeladen. Sie erzählten von ihren eigenen Erfahrungen und den Vorteilen, die einheitliche Berichte mit sich bringen.

Zum Einstieg ins Thema gab es eine Umfrage unter den Teilnehmenden. Die Frage lautete: Was fällt Ihnen ein, wenn Sie an ESG (Environment, Social, Governance) und Disability Reporting denken?

Die Ergebnisse verdeutlichen, dass 65 % der Befragten ESG- und Disability-Reporting als eine Chance sehen, Inklusion voranzutreiben. Weitere 25 % empfinden das Thema als spannend und nutzten das Webinar, um mehr darüber zu erfahren. 8 % der Teilnehmenden halten die Regularien allerdings für komplex und schwer umsetzbar. Eine Minderheit von 2 % sieht in diesem Bereich einen hohen Aufwand mit geringem Nutzen.

Neueste Gesetzgebungen fördern Maßnahmen zur Inklusion und Barrierefreiheit

Die Richtlinien European Accessibility Act (EAA) und Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) sind die zentralen Wegweiser für eine inklusivere Unternehmenspraxis in Europa. Im Fokus des Webinars standen dabei die Inhalte der CSRD und speziell die Möglichkeiten zur Umsetzung von DisAbility-Reporting.

  • European Accessibility Act: Hier werden Anforderungen an die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen gestellt. In Österreich wird diese Richtlinie durch das Barrierefreiheitsgesetz (BaFG) und in Deutschland durch das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) umgesetzt, welche im Sommer 2025 in Kraft treten.
  • Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD): Das neue, detaillierte Regelwerk zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen behandelt finanzielle und nichtfinanzielle Kennzahlen gleich. Es ist damit führend in der Berichterstattung zu Umwelt, Sozialem und Unternehmensführung (ESG). Ein zentraler Bestandteil der CSRD sind die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) (DE: Europäische Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung), welche die Anforderungen an die Gestaltung der Berichterstattung definieren. Große Unternehmen sind bereits ab diesem Jahr zur Erhebung entsprechender Daten verpflichtet und gilt für alle Länder in der EU inklusive Schweiz.

Strukturierung der ESRS Reporting Standards

Die ESRS widmen sich den Bereichen Umwelt, Soziales und nachhaltige Unternehmensführung (ESG). Die Umweltstandards sind unter "ESRS E#" zusammengefasst, während die sozialen Standards als "ESRS S#" und die Standards zur nachhaltigen Unternehmensführung als "ESRS G#" kategorisiert sind.

Relevant im Bereich des DisAbility-Reporting sind insbesondere die ESRS S1, S2 und S3.­­

Anna Herzog betont, dass die deutliche Erwähnung von Inklusion in den Standards für Unternehmen, die sich damit beschäftigen, sehr vorteilhaft ist. Das führt dazu, dass Inklusion auf der Ebene des Top-Managements eine größere Rolle spielt.

Vorteile des Konformitäts-orientierten Reportings:

  • Sichtbarkeit für das Thema
  • Vergleichbarkeit: Durch Standardisierung kann man verschiedene Firmen gut vergleichen
  • Transparenz
  • Glaubwürdigkeit
  • Qualität & Relevanz der Information

Barbara Coudenhove-Kalergi hat hierzu festgestellt, dass viele Unternehmen beim Umgang mit diesen Standards zwischen Herausforderungen und Motivation schwanken. PwC legt großen Wert darauf, die Vorteile dieser Regulierungen deutlich zu machen. Barbara unterstreicht die Bedeutung von Messbarkeit mit dem Satz:

Dies motiviert die Unternehmen, sich intensiv mit ihrem Engagement für Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen, insbesondere im sozialen Bereich, wo die Messbarkeit schwieriger ist und es häufig um die Beziehungen zwischen den Menschen innerhalb und außerhalb des Unternehmens geht. Sie weist darauf hin, dass soziale Themen oft als weniger wichtig betrachtet werden, obwohl diese durch die COVID-19-Pandemie klar wichtiger geworden sind. Abschließend stellt Barbara fest, dass die reinen Zahlen, die die Standards repräsentieren, oft als trocken und wenig inspirierend empfunden werden. Was wirklich inspiriert, ist die Art und Weise, wie Unternehmen diese Herausforderungen angehen und welche Entwicklungsrichtungen sie wählen.

Vorteile des Strategisch- orientierten Reportings:

  • Strategie-Überprüfung
  • Qualitätssicherung
  • Effiziente Kommunikation
  • Inklusive Unternehmenskultur
  • Positionierung als inklusive Arbeitgeber:in

Sandra Edelmann erklärte, dass REWE sich seit 2015 intensiv mit Disability Management auseinandersetzt und seither klare Visionen und strategische Ziele für die eigene Inklusionsreise definiert hat. Dabei ist es essenziell, die KPI-Ziele kontinuierlich zu überprüfen: Wo befinden wir uns aktuell, wo gibt es Verbesserungsbedarf und wo bestehen noch Entwicklungschancen?

In der Unternehmenspraxis wird klare Kommunikation nach außen oft durch das Vorzeigen bestimmter Zahlen erreicht, die belegen, dass die getroffenen Maßnahmen wirksam sind. Es wird auch untersucht, welche Maßnahmen noch nicht berichtet werden können. Diese Informationen helfen dem Unternehmen dabei, seine Ziele effektiver zu verfolgen.

Verpflichtende und freiwillige Kennzahlen

Gegen Ende des Webinars diskutierten die Expertinnen eine Kennzahl, die künftig verpflichtend zu berichten ist: die Repräsentanz von Menschen mit Behinderungen innerhalb der Belegschaft. Unternehmen müssen, sofern diese Thematik in ihrem Unternehmen als wesentlich eingestuft wurde, den prozentualen Anteil von Mitarbeitenden mit Behinderungen offenlegen sowie die Methode der Datenerhebung angeben.

Bis dato besteht allerdings noch erheblicher Nachholbedarf. Laut dem Financial Times Stock Exchange Index (FTSE) berichten lediglich 19 von 100 der führenden Unternehmen (Top 100 Index) über die Anzahl von Mitarbeitenden mit Behinderungen, und nur 3 von 100 Unternehmen geben an, wie viele Menschen mit Behinderungen in ihrem oberen Management vertreten sind.

Neben der verpflichtend zu erhebenden Reporting-Kennzahl wurden weitere freiwillige Kennzahlen vorgestellt.

Viele Inklusions-Maßnahmen werden in Unternehmen, wie zum Beispiel in der Rekrutierung, bei Weiterbildungen oder hinsichtlich der baulichen und digitalen Barrierefreiheit, bereits umgesetzt. Nun müssen diese noch messbar gemacht werden. Alle Expertinnen waren sich dabei einig, dass Unternehmen über die Berichtspflichten hinausgehen sollten. Konkret schlugen sie die Erweiterung des Inklusions-Reportings auf die folgenden Bereiche vor:

  • Barrierefreiheit: Dies umfasst sowohl die bauliche als auch die digitale Zugänglichkeit am Arbeitsplatz, auf Webseiten, in Kommunikationskanälen sowie an verschiedenen Standorten und Filialen.
  • Bewusstsein & Kompetenz: Es sollte erfasst werden, ob und wie das Thema Inklusion innerhalb des Unternehmens kommuniziert wird und ob es entsprechende Schulungs- und Trainingsangebote gibt.
  • Personal & Rekrutierung: Die barrierefreie Gestaltung aller Phasen der Personalgewinnung, von der Ansprache über Stellenausschreibungen bis hin zum Onboarding, sollte berücksichtigt werden.
  • Netzwerke: Unternehmen sollten Netzwerke für Mitarbeitende mit Behinderungen haben, wie beispielsweise Employee Resource Groups oder Vorbilder (Role Models).

Zum Ende des Webinars erklärte Sandra Edelmann die wichtigsten Zahlen, die REWE verwendet, um Entscheidungen zu treffen und zukünftige Maßnahmen zu planen. Sie betonte, dass REWE zwischen internen und externen Indikatoren unterscheidet: Externe Indikatoren werden genutzt, um zu kommunizieren und gesetzliche Vorgaben zu erfüllen, während interne Indikatoren dem Unternehmen helfen, seine Entwicklung zu lenken. Ein Beispiel dafür ist, wie BILLA über die "stille Stunde" berichtet. Diese ist darauf ausgerichtet, das Einkaufen für reizempfindliche Personen und Menschen im Autismus Spektrum sowie ältere Menschen angenehmer zu gestalten. Die Barrierefreiheit ist im ESG-Reporting von REWE in Form von Zahlen und Informationen über die Barrierefreiheit der Filialen ebenso abgebildet. Damit kann der Konzern die Barrierefreiheit bei Neu- oder Umbauten besser steuern.

Auch Barbara gab abschließend ein hoffnungsvoll gestimmtes Statement ab: Gemeinsam mit ihrem Team setzt sie sich dafür ein, Unternehmen hinsichtlich der Bedeutung von Inklusions- und DisAbility-Reporting zu motivierten und zu informieren. Hierbei sprach sie den Wunsch aus, dass soziale Aspekte in der Berichterstattung grundsätzlich mehr Beachtung finden und dass Unternehmen den Mehrwert dieser Integration erkennen.

Drei Tipps für gezielte Inklusionsfortschritte durch Disability Reporting rundeten das Webinar ab:

  1. Aktuelle rechtliche Entwicklungen als Chance wahrnehmen, um die Relevanz von Inklusion zu betonen und sich somit mehr Gehör auf Managementebene zu verschaffen.
  2. Vorhandene Unternehmensdaten aufbereiten und für das Reporting nutzen, damit Ressourcen weiterhin geschont werden,
  3. Inklusion umfassend in verschiedenen Bereichen messen und so als Best Practice über gesetzliche Anforderungen hinausgehen.

 

Mit freundlicher Unterstützung