“Warum erhalten wir keine Bewerbungen von Menschen mit Behinderungen, obwohl wir doch offen für alle sind?” – das fragen sich viele Unternehmen. Es kann unterschiedliche Gründe haben. Nicht alle Bewerbende legen ihre Behinderungen offen und nicht alle Behinderungen sind auf den ersten Blick sichtbar.
Barrierefrei bewerben: So geht inklusives Recruiting richtig
Es ist also durchaus möglich, dass sich Menschen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen bewerben, ohne es offen zu kommunizieren. Es ist aber auch möglich, dass es im Bewerbungsprozess noch zu viele Barrieren gibt. Barrierefreiheit und inklusive Sprache sind wichtig für einen inklusiven und chancengerechten Bewerbungsprozess. Was ist zu beachten?
Stellenausschreibung – barrierefrei und inklusiv
Unternehmen haben bereits bei der Stellenausschreibung die Chance, Bewerbende mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen anzusprechen und als inklusive Arbeitgeber:in wahrgenommen zu werden. Auch kleine Veränderungen können einen großen Unterschied machen.
Tätigkeiten, Ansprechpersonen und Arbeitsort genau beschreiben
Je genauer beschrieben wird, was bei der Stelle verlangt wird, desto besser können Menschen mit Behinderungen (so wie alle anderen Bewerbenden) einschätzen, ob die Stelle geeignet ist. Für neurodivergente Jobsuchende ist das besonders wichtig. Zentrale Stellenanforderungen müssen klar von optionalen Aufgaben unterschieden werden können. Zu viele Muss-Kriterien können abschrecken.
Ansprechpersonen und Arbeitsort (idealerweise mit Angaben zur Barrierefreiheit) sollten angegeben sein. Warum das wichtig ist? Bewerbende mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen haben oft bereits negative Erfahrungen gemacht. Viele überlegen deshalb genau: Lohnt sich die Investition meiner Ressourcen in eine Bewerbung, wenn ich nicht weiß, ob Barrierefreiheit und eine inklusive Unternehmenskultur gegeben sind bzw. Ermöglicht werden können? Rückfragemöglichkeiten und eine klare Kommunikation erleichtern diese Entscheidung.
Digitale Barrierefreiheit bei der Jobanzeige
Die Stellenanzeige sollte mit Überschriften gegliedert sein und Bilder sollten mit Alternativ-Texten beschrieben sein. Ausreichende Kontraste und ausreichend große Schriftgrößen sind wichtig. PDF-Anzeigen sind selten barrierefrei. Gerade bei Formularen auf Bewerbungsseiten können Probleme für Menschen mit Sehbehinderungen entstehen.
Tipp: Unsere inklusive Jobbörse myAbility.jobs bietet Jobsuchenden mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen eine barrierearme Plattform für die Jobsuche. Hier können Unternehmen, die offen für Bewerbungen von Menschen mit Behinderungen sind, ihre offenen Stellen ausschreiben. Unser Service-Team unterstützt gerne bei der Gestaltung barrierefreier Jobanzeigen.
Flexibilität signalisieren
Viele Menschen mit Behinderungen suchen nach Teilzeitjobs oder benötigen Rahmenbedingungen, die sich auch im Laufe der Zeit verändern können. Lebensläufe können Unterbrechungen aufweisen (z.B. REHA Aufenthalte).
Möglichst offene Formulierungen der gefragten Qualifikationen/Ausbildungen sind daher besonders inklusiv. z.B. „Sie bringen andere Qualifikationen mit, die für die Stelle relevant sein könnten? Wir sind offen für individuelle Werdegänge.“
Flexibilität bei der Ausgestaltung der Stelle sollte konkret angesprochen werden z.B. „Diese Stelle ist auch in Teilzeit möglich. Wir bieten Arbeitszeitflexibilität und Home-Office Möglichkeiten an.“ „Wenn Sie weitere Informationen zu individuellen Anforderungen/Barrierefreiheit benötigen, sprechen Sie mit uns darüber. Wir versuchen eine gemeinsame Lösung zu finden.“
Das eigene Inklusionsverständnis sichtbar machen
Wenn sich Jobsuchende mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen über ein Unternehmen informieren, sollte klar erkennbar sein, dass Inklusion einen wichtigen Stellenwert einnimmt.
Zum Beispiel indem Menschen mit Behinderungen auf Karriere-Seiten auf Bildern sichtbar sind. Oder indem sie in Ausschreibungen direkt eingeladen werden, sich zu bewerben. Weiters kann man auf Role Models im Unternehmen, Employee Resource Groups oder Ansprechpersonen für Inklusion und Barrierefreiheit hinweisen. Bei der Vorstellung von Role Models ist ein realistischer Einblick in den Arbeitsalltag von Mitarbeitenden mit Behinderungen empfehlenswert, um Tokenismus zu vermeiden. Dabei ist es wichtig, auf inklusives Storytelling zu achten.
Das Nennen relevanter Angebote und Aktivitäten für mehr Vielfalt und Inklusion im Unternehmen sind ebenfalls eine gute Möglichkeit, das eigene Inklusionsverständnis zu präsentieren (z.B Karriereprogramme für Menschen mit Behinderungen oder interne Trainings zu dem Thema).
Inklusive Sprache nutzen
Inklusive Sprache zeigt, dass man sich auf allen Ebenen mit dem Thema beschäftigt. Das bedeutet unter Anderem: Gendern, möglichst einfache Sprache nutzen und Worte wie „Handicap“ oder „besondere Bedürfnisse“ vermeiden. Manche Standard-Formulierungen, wie zum Beispiel „dynamische Arbeitsweise“, „hohe Mobilität“ oder „intensive Teamarbeit“ sind nicht für alle Menschen positiv besetzt und sollten nur dann genannt werden, wenn sie zentral für die Rolle sind.

Bewerbungsgespräch barrierefrei gestalten
Um eine erfolgreiche Bewerbung mit Behinderung zu ermöglichen, müssen auch mögliche Barrieren im Bewerbungsgespräch abgebaut werden. Je nachdem, wo und in welcher Form das Vorstellungsgespräch stattfinden soll, gibt es unterschiedliche Dinge zu beachten.
Unabhängig von dem Setting ist es wichtig, vorab über den Ablauf zu informieren. So können Bewerbende mit Behinderungen gegebenenfalls notwendige Anpassungen für die Barrierefreiheit erfragen und sich entsprechend vorbereiten.
Barrierefreies Bewerbungsgespräch in Präsenz
Ein Bewerbungsgespräch in Präsenz sollte an einem barrierefrei zugänglichen Ort stattfinden. Barrierefrei bedeutet nicht nur rollstuhlgerecht, sondern kann je nach Person andere Aspekte beinhalten. Manche Personen brauchen zum Beispiel eine detaillierte Wegbeschreibung, andere eine ruhige Umgebung oder ausreichend Licht. Am besten vorab fragen, was zu beachten ist.
Manche Bewerbende mit Behinderungen kommen in Begleitung – beispielsweise mit Persönlicher Assistenz, Gebärdensprach-Dolmetscher:in oder Assistenzhund. Hier ist ausreichend Platz gefragt. Auch Hilfsmittel wie Gehhilfen oder Rollstühle brauchen möglicherweise mehr Platz. Manche Personen mit Behinderungen nutzen vielleicht Hilfsmittel, die vielen nicht als solche bekannt sind. Darunter fallen zum Beispiel sogenannte Fidget-Toys, die vor allem neurodivergente Personen nutzen. Offenheit und Verständnis sorgen für eine angenehme Gesprächsatmosphäre.
Barrierefreies Bewerbungsgespräch online
Soll das Bewerbungsgespräch online stattfinden, ist auf eine möglichst barrierefreie Kommunikations-Plattform zu achten. Auch hier kann sich die richtige Wahl je nach Barrierefreiheitsanforderungen unterscheiden. Wichtige Entscheidungsfaktoren können zum Beispiel sein:
Können Gespräche live transkribiert werden?
Ist die Plattform Screenreader-tauglich?
Auch hier gilt: Am besten vorab nach Barrierefreiheitsanforderungen fragen.
Über Behinderungen und Erkrankungen sprechen
Bei einer Bewerbung mit Behinderung sollten Behinderungen oder Erkrankungen im Gespräch nicht im Vordergrund stehen. Bewerbende sollten ausreichend Gelegenheit haben ihre Stärken und Fähigkeiten darzustellen. Menschen mit Behinderungen sind Expert:innen in eigener Sache und können selbst am besten einschätzen, was sie sich zutrauen.
Wenn Bewerbende ihre Behinderungen oder Erkrankungen offenlegen, können Fragen wie “Was brauchen Sie, um gut arbeiten zu können?” hilfreich sein, um Anforderungen an einen barrierefreien Arbeitsplatz abzuklären.
Wichtig: Nicht alle Bewerbende können diese Frage auf Anhieb beantworten. Manche Personen hatten vielleicht noch nicht ausreichende Möglichkeiten, eine Antwort auf diese Frage zu finden – und brauchen noch Unterstützung in diesem Prozess. Hilfsmittelbetreiber oder Selbstvertretungs-Organisationen können hier hilfreiche Anlaufstellen sein.
5 Schritte zum barrierefreien Bewerbungsprozess
Recruiter:innen können durch einfache, aber gezielte Maßnahmen den Bewerbungsprozess inklusiver gestalten und mehr Bewerbungen von Menschen mit Behinderungen erhalten. Hier sind die 5 wichtigsten Schritte kurz zusammengefasst:
- Barrierefreie Stellenausschreibung: Klare Tätigkeitsbeschreibung, Digitale Barrierefreiheit gewährleisten, Angabe zur Barrierefreiheit, flexible Formulierungen und inklusive Sprache verwenden.
- Zielgruppen direkt ansprechen: Zum Beispiel durch Stelleninserate auf inklusiven Jobbörsen oder die Teilnahme an Karriereprogrammen für Menschen mit Behinderungen.
- Inklusion sichtbar machen: Auf der Karriereseite Inklusion und Barrierefreiheit thematisieren.
- Bewerbungsgespräche barrierefrei ermöglichen: Ablauf vorab kommunizieren, auf individuelle Bedarfe eingehen, barrierefreie Orte oder Plattformen nutzen.
- Offen für Anpassungen sein: Fragen wie „Was brauchen Sie, um gut arbeiten zu können?“ ermöglichen individuelle Lösungen.
Jede Maßnahme trägt dazu bei, Bewerbungen von Menschen mit Behinderungen nicht nur zu ermöglichen, sondern aktiv zu fördern. So wird Chancengerechtigkeit zur Realität!
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