Behinderung ist nach wie vor mehr Tabu- als Mainstreamthema und mit vielen Emotionen verbunden. Dadurch gibt es noch sehr viel Aufmerksamkeits- und Innovationsraum im deutschsprachigen Raum.

 

Inklusives Storytelling findet dann statt, wenn Menschen mit Behinderungen unaufgeregt und selbstverständlich als Teil des Erzählten vorkommen. Die Behinderung selbst ist nicht Gegenstand des Erzählten. Inklusives Storytelling für Unternehmen hat das Ziel, das Thema Behinderung in die Markenstory und Markenkommunikation aufzunehmen. Es ist dann ein Thema, wenn Geschichten erzählt werden: Zum Beispiel in Werbespots, in Marketingtexten über das Unternehmen und seine Geschichte oder in Interviews. Bisher werden Menschen mit Behinderungen im Storytelling sowohl als Angesprochene wie auch als Protagonist:innen oft ausgeblendet. Sie kommen nicht vor, außer in Geschichten, wo es explizit um Behinderungen geht und in denen sie als „andersartig“ hervorgehoben werden. Ist das Storytelling inklusiv, werden Menschen mit Behinderungen dagegen als selbstverständlicher Teil der Gesellschaft wahrgenommen, der sie ja sind.

Warum ist inklusives Storytelling für Unternehmen ein Vorteil? 

Jedes größere Unternehmen hat sowohl Mitarbeitende als auch Kund:innen mit Behinderungen – sie wissen es meistens nur nicht, etwa weil die Mitarbeitenden ihre Behinderungen aus Angst vor Diskriminierung verheimlichen.

Vorteile:

  • Mit inklusiver Kommunikation positioniert sich das Unternehmen als inklusiv und divers. Unternehmen werden dadurch attraktiver – sowohl für Kund:innen als auch für zukünftige Mitarbeitende.
  • Gerade Millennials und Gen Z erwarten sich von Unternehmen Offenheit und eine diverse Unternehmenskultur.
  • Die Emotionalität des Themas Behinderung und das Aufgreifen gesellschaftlicher Tabus sorgen für Aufmerksamkeit und für wirkliches Innovationspotenzial. Aber das bedeutet auch, mit Respekt und Sensibilität an das Thema heranzugehen und sich von Expert:innen beraten zu lassen.

Was ist zu beachten?

  1. Normalität statt Opfer- und Held:innenbilder
    Menschen mit Behinderungen sind nicht per se „arm“, „nett“ und „zu bemitleiden“. Die erste goldene Regel ist einfach und doch schwer zu umschiffen: Menschen mit Behinderungen sollten nicht als Opfer oder Held:innen und auch nicht als Klischee inszeniert werden. Vermeiden Sie Geschichten, die auf die Tränendrüse drücken! Unternehmen sollten hier neue Wege gehen und an einem neuen Bild von „normal“ mitarbeiten, das auch eine Behinderung inkludiert. Das bedeutet, Menschen mit und ohne Behinderungen in den Geschichten auftreten zu lassen, ohne auf erstere besonders hinzuweisen.
     
  2. State of the Art“ kennen und Unterstützung von Expert:innen holen
    Innerhalb der Community von Menschen mit Behinderungen und auch der Organisationen zum Thema gibt es einen sich verändernden Diskurs. Die Sprache zum Thema Behinderung wird diskutiert, die Positionen verändern sich. War es in den 80er Jahren noch üblich „Menschen mit besonderen Bedürfnissen“ zu sagen, ist das heute nicht mehr zeitgemäß. Es ist daher wichtig, sich zu diesem Thema Hilfe zu holen. Organisationen und Expert:innen zum Thema Behinderung sind die richtigen Ansprechpersonen. Wenn Sie die Community in der Gestaltung bereits involvieren, wird die positive Aufnahme des Themas und auch die Verbreitung durch diese Organisationen und Expert:innen angeregt. Respektvoll den Diskurs der Community anzuerkennen und aufzunehmen, ist der richtige Weg für inklusives Storytelling.
     
  3. Inszenieren Sie ein Leben mit Behinderungen nicht als Beispiel eines schrecklichen Lebens
    In einer deutschen Kampagne zur Alkoholprävention von Autofahrer:innen wurde ein Sujet mit einem Unfallauto und einem Rollstuhl davor gewählt. Das Sujet war so inszeniert, als sei die Konsequenz von Alkohol am Steuer das schreckliche Leben als Mensch, der einen Rollstuhl nutzt. Diese Inszenierungen verfestigen das Bild, dass ein Leben mit Behinderung ein schlechtes, ein unglückliches Leben ist. Das entspricht keinem modernen Verständnis eines Lebens mit Behinderung.
     
  4. Erkennen Sie die WIN WIN WIN Situation
    Von inklusivem Storytelling können Sie nicht nur profitieren, sondern Sie zeigen auch, dass man als Unternehmen Veränderung anstoßen kann. So wird einerseits die Marke gestärkt und gleichzeitig ist es auch für die Community von Menschen mit Behinderungen wichtig, wie das Thema inszeniert wird. Es geht um Selbstbilder genauso wie um die Ansprache von Menschen mit Behinderungen als relevante Kund:innen und Mitarbeiter:innen. Unternehmen können das gesellschaftliche Bild vom Thema Behinderung verändern.

 

Inklusive Bildsprache

Bilder sagen mehr als 1000 Worte – und gerade deshalb ist es wichtig, dass die Bildersprache Menschen mit Behinderungen ebenso selbstverständlich inkludiert. Zum einen betrifft dies die technische Barrierefreiheit, also das Zugänglichmachen der bildlich dargestellten Informationen für Menschen mit Behinderungen. Bilder müssen mit Alternativtexten hinterlegt oder um Bildbeschreibungen ergänzt werden, um deren Inhalte für Menschen mit Sehbehinderungen zugänglich zu machen. Außerdem ist darauf zu achten, dass wesentliche Informationen nicht ausschließlich über Bilder, sondern immer auch über einen ergänzenden Text vermittelt werden. Bei der Verwendung von Videos kommen Untertiteln und Audiodeskription eine wesentliche Bedeutung zu, um die Inhalte allen Menschen zugänglich zu machen. Eine Übersetzung in Gebärdensprache – etwa mittels eingeblendeten Fensters – zeigt, dass Inklusion in allen Dimensionen ernst gemeint wird.

Andererseits ist der Prozess der Bildauswahl ebenso entscheidend. Leider werden noch immer viel zu häufig klischeehafte Stockfotos verwendet: die Rollstuhlnutzer:in am PC-Arbeitsplatz und wer sich auskennt, sieht sofort: hier handelt es sich um ein gestelltes Bild, der Rollstuhl ist nicht angepasst, die darin sitzende Person hat keine echte Behinderung. Es empfiehlt sich daher, authentische Fotos zu verwenden, die echte Menschen mit Behinderungen in alltäglichen Situationen zeigen, ohne deren Behinderung in den Fokus zu rücken.

 

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